Wenn man die „innere Biologin“ endlich rauslassen darf… – Seminar an der deutschen Schülerakademie

Ich heiße Sonja Geef, gehe in die 11. Klasse und hatte das Glück an der deutschen Schülerakademie angenommen worden zu sein. Aus diesem Grund konnte ich nach Österreich reisen, um an meinem  Erstwunschseminar: „Abenteuerliche Reise durch den menschlichen Körper in molekularbiologischen und biomedizinischen Dimensionen“ vom 22.6 bis zum 29.6.2017, teilzunehmen.

Nach einer Odyssee gleichen Anreise, die durch nichtfahrende Züge geprägt wurde, kam ich nur durch die Bekanntschaft zu zwei sehr netten Meeresbiologen auf dem Weg zu ihrem Forschungslabor, endlich gegen 23:00 Uhr an dem Lehrhotel „Zauberblick“ in Semmering an. Als ich leise in mein Vierbettzimmer eintrat, wurde ich direkt von einem freundlich lächelnden Gesicht begrüßt, welches sich als meine „Mitbewohnerin“ Vera entpuppte. Meine beiden anderen Mitbewohnerinnen waren genauso freundlich und wir hatten das Glück alle im gleichen Biologiekurs zu sein.  (Es fanden gleichzeitig noch fünf weitere Kurse statt, die von Rhetorik bis zur Erforschung des Weltraums reichten.)

Tag 1 (Donnerstag)

Am nächsten Morgen wurden alle Teilnehmer der diesjährigen Sommerakademie in Semmering Österreich, in einer Kirche willkommen geheißen. Während der Begrüßungsrede wurde mir schnell bewusst, dass ich auch als Deutsche in Österreich eine Ausländerin bin, da ich der Rede an manchen Stellen nicht ganz folgen konnte. Trotzdem war die Rede sehr interessant, da jeder Kursleiter nur zwei Minuten bekam, um sich und seinen Kursinhalt vorzustellen. Auch stellte sich heraus, dass außer österreichischen und deutschen Teilnehmern, auch Schüler aus der Tschechei und Ungarn angereist waren.

Nach dieser Ansprache wurden die Schüler der jeweiligen Kurse aufgerufen und man begab sich in seinen Kursraum. Nach einer Vorstellungsrunde und der Frage, ob man sich mit dem Sezieren und Mikroskopieren auskenne, begaben wir uns zum gemeinsamen Mittagessen. Danach hatte man bis 15.00 Uhr die Möglichkeit auszupacken und Pause zu machen. Meine Mitbewohnerinnen und ich machten uns auf den Weg zu dem naheliegenden See, um ein bisschen die Gegend zu erkunden und um zu entspannen. Um 15.00 Uhr ging der Kurs dann mit vollem Einsatz los. Gestartet wurde mit vier verschiedenen Arbeitsblättern, die wir mit Hilfe eines Buches beschriften sollten. Dabei handelte es sich um die Muskeln und Knochen des menschlichen Körpers, die wir alle zuordnen sollten. (auf Latein und Deutsch) Nachdem eine Person fertig war, wurde die Ergebnisse direkt besprochen und man ging zum nächsten Arbeitsblatt über. Weitergeführt wurde die Lektion mit der Unterscheidung von „Osteoklasten“ und „Osteoblasten“ und zusätzlichen Informationen zum Knorpel.  Nun wurden die verschiedenen Gelenke, ihr Vorkommen im Körper und ihre Funktion besprochen. (Dazu gab es drei weitere Arbeitsblätter zum Beschriften.) Auch wurden wir über entzündliche Gelenkserkrankungen aufgeklärt. Nachdem wir über die Sezierinstrumente aufgeklärt wurden,  durfte sich jeder Vierertisch ein Hühnerbein nehmen. Dies war sehr interessant und brachte mein Verständnis enorm weiter. So durfte man das zuvor Erarbeitete praktisch am Hühnerbein auf eigene Faust entdecken und erforschen. Danach sollten wir eine schematische Zeichnung des Gesehenen und Erlernten anfertigen. Nach drei Stunden „Unterricht“ ohne eine einzige Pause, begaben wir uns müde und erschöpft um 18:00 Uhr zum Abendessen.

Tag 2 (Freitag)

Am nächsten Morgen gingen wir mit neuer Energie zum Frühstück und um 8:30 Uhr zum Unterricht. Heute begannen wir mit einer Lektion rund um das Herz. Eröffnet wurde die Unterrichtseinheit mit der Beschriftung des Herzens (Latein und Deutsch) und wurde dann mit vier weiteren Arbeitsblättern und einer Powerpoint-Präsentation fortgeführt. Nun durften wir wieder das Erlernte aktiv erforschen, indem wir „Hand ans Herz“ legten.  Da ich großes  Interesse an dem menschlichen Herzen und seinen Funktionen habe, durfte unsere Gruppe zwei Schweineherzen zum Sezieren benutzen. Es machte unwahrscheinlich viel Spaß das Organ auf eigene Faust zu erforschen. Besonders toll war, dass wir alles aufschneiden durften, was uns interessierte. So hatten wir zwar eine Anleitung zum Sezieren, durften jedoch bei Interesse auch an anderen Regionen „forschen“. Dies machte mir besonders viel Spaß, da ich somit die Möglichkeit hatte das theoretische Wissen direkt anzuwenden und zum Beispiel die Herz-Kreislaufvorgänge direkt an dem Organ nachvollziehen zu können. Zum zusätzlichen Verständnis mussten wir ein weiteres Mal eine schematische Zeichnung, diesmal vom Herzen anfertigen. Schon bald räumten wir unsere Utensilien wieder auf und begaben uns zum Mittagessen. Obwohl wir die dreieinhalb Stunden wieder ohne Pause durchgearbeitet hatten, machte uns das wenig aus, da wir von dem Gelernten gefesselt wurden.

Nach der Mittagspause wurden uns Referatsthemen vorgelegt, zu denen wir uns einteilen sollten. Meine Freundin Vera und ich entschieden uns für das Thema „Herzinfarkt“. Innerhalb von drei Stunden sollten wir nun eine ganze GFS auf die Beine stellen. Dazu gehörte eine 10-15 Minütige Präsentation, eine Powerpoint-Präsentation und ein Handout für den Kurs. Obwohl wir eine pausenlose Akkordarbeit leisteten, waren wir auch nach drei Stunden noch nicht fertig. Aus diesem Grund arbeiteten wir nach dem Abendessen in unserem Zimmer weiter.

Während wir unsere Präsentationen vorbereiteten, wurde uns eine Überraschung mitgeteilt. So hatten wir eine Exkursion nach Wien am morgigen Tag genehmigt bekommen, sodass die Präsentation auf Sonntag verschoben wurde.

Tag 3 (Samstag)

Nach dem Frühstück machte sich mein Biologiekurs gemeinsam mit dem Zug auf den Weg nach Wien. Dort begaben wir uns auf direktem Weg zum Narrenturm. Der Narrenturm befindet sich auf dem Gelände des alten allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien. Bis 1866 stellte er die erste psychiatrische Klinik dar, weswegen er als Zeugnis der neuen Haltung gegenüber psychisch Kranken galt. Man sah diese nun als krank an, während sie zuvor als „vom Teufel besessen“ dargestellt wurden. Heute befindet sich die weltweit größte pathologisch-anatomische Sammlung mit ca. 45.000 Exponaten darin. Dabei handelt es sich um Feucht- und Trockenpräparate, sowie zahlreiche Moulage. Wir wurden von einer Medizinstudentin durch die Ausstellung geführt, was einen großen Gewinn für uns darstellte. So konnte man sie jederzeit ausfragen und wurde umfangreich über verschiedene Tumore, die Entdeckung des Impfstoffs und zahlreiche medizinische Krankheiten und ihre Auswirkungen aufgeklärt.

Unser nächster Stopp war das Josephinum, ein kulturelles Erbe der Stadt Wien. Es beherbergt eine Vielzahl anatomischer Wachsmodelle, mit Hilfe dessen der damalige Kaiser seine Medizinstudenten und die Bevölkerung über den menschlichen Körper und seine Funktionen aufklären wollte. Diese Ausstellung war auch sehr faszinierend, da jedes Organ und alle körperlichen Systeme einzeln hervorgehoben und von allen Seiten dargestellt wurden. Auch hier führte uns  wieder eine Medizinstudentin, die für etwaige Fragen offen war.

Für mich persönlich stellte eine „Spezialausstellung: künstliche Herzen“ einen besonderen Gewinn dar. Nun durfte ich meine Vorliebe zu diesem Organ, durch zahlreiche Informationen und anschauliche Darstellungen erweitern. So lernte ich zum Beispiel, dass man glatte Rotoren in einer Zentrifugalpumpe verwendet, damit das gebundene Hämoglobin nicht beschädigt wird. (Bei Beschädigung liegt es  frei und wirkt für unseren Körper toxisch.)

Nach diesen interessanten Ausstellungen und Führungen, durften wir eine halbe Stunde allein in der Stadt Wien verbringen, wo wir zum Beispiel vor der Wiener Staatsoper auf Mozart trafen. Wien stellte sich als eine wunderschöne Stadt heraus, die sehr süße Ampelmännchen besitzt. (Siehe Bild) Nach einem erfolgreichen und langen Tag in Wien,  machten  wir uns mit dem Zug wieder auf den Heimweg.

Tag 4 (Sonntag)

Wie gewohnt begann unser Kurs um 8:30 Uhr im Kursraum. Wir begannen mit den vorbereiteten Präsentationen, die auf sehr hohem Niveau gehalten wurden. Besonders beeindruckt war ich von unseren fünf Austauschschülern aus Ungarn, die die Präsentation nicht nur auf hochdeutsch, sondern auch in perfekter Fachsprache hielten. Interessanterweise wurde bei den Präsentationen immer zuerst Rückmeldung und Verbesserungsvorschläge gegeben, bevor man klatschen durfte. Veras und meine Präsentation klappte reibungslos, sodass sich unsere „Überstunden“ gelohnt hatten. Besonders gut kam unser Einstieg an, bei dem ich einen Herzinfarkt vortäuschte und der Kurs danach gefragt wurde, was ich dargestellt haben könnte. Nach den Präsentationen wurden wir mit weiteren Arbeitsblättern über die Niere aufgeklärt, die wir auch wieder sezieren und zeichnen durften. Auch durften wir eine Lunge betrachten.  Nach dem Mittagessen und der damit verbundenen Mittagspause hörten wir drei Stunden lang Vorträge von unserem zweiten Tutor, einem Mikrobiologe, über die Zellbiologie. Diesen konnte ich durch mein Vorwissen aus meinem diesjährigen Bio LK sehr gut folgen.  Durch diesen informationsreichen und gut durchstrukturierten Tag, merkte man nur am Mittagessen, dass Sonntag gewesen ist.

Tag 5 (Montag)

Am Montagmorgen befassten wir uns ausführlich mit Viren und Bakterien und hörten dabei mehreren Vorträgen zu. Nach dem Mittagessen ging es mit dem menschlichen  Blut weiter. Zunächst lernten wir theoretisch über die verschiedenen Blutgruppen und durften dann praktisch anhand von künstlichem Blut,  Blutgruppen bestimmen.  Auch hatten wir jederzeit die Möglichkeit unterschiedliche Objekte unter dem Mikroskop zu betrachten. Diese reichten von verschiedenen Tumoren und Nervenzellen bis zu Bandwürmern und Wespenflügeln. An diesem Tag nahmen wir das Blut näher unter die Lupe.

Um alle Teilnehmer der Sommerakademie zu vereinen, wurde am Abend nach dem Abendessen zu einem gemeinsamen „Spaziergang“ auf den Berg Semmering eingeladen. Wir hatten eine wunderschöne Aussicht und wurden von sehr schöner Natur umgeben. Letztendlich entpuppte sich der „Spaziergang“ als eine drei Stündige Wanderung, bei der die Österreicher mit sehr schnellen Schritten vorangingen. Nichtdestotrotz war es eine weitere tolle Möglichkeit sich mit den neugewonnen Freundinnen aus ganz Deutschland auszutauschen.

Tag 6 (Dienstag)

Der heutige Kursmorgen begann mit weiteren Vorträgen, die diesmal „Prionen“ behandelten. Prionen stellen Proteine dar, die als Auslöser für bestimmte Krankheiten, wie die „spongiformen Encephalopathien“ (schwammartige Gehirnerkrankung)  bekannt sind.  Ein Beispiel dafür ist der sogenannte „Rinderwahnsinn“ (BSE) und die damit verbundene Creutzfeldt-Jakob Krankheit. Vor dem Mittagessen durfte wir dann noch mit Hilfe der „sitting-drop Methode“ und Mikropipetten Kristalle aus Lysozym herstellen. Diese mussten wir über Nacht stehen lassen.

Nach der Mittagspause wurden wir aufgefordert uns ein weiteres der vorgegebenen Themen zur Thematik der Prionen auszuwählen und ein Referat in drei Stunden vorzubereiten. Meine Wahl fiel auf das „Gerstmann-Sträussler-Schenker-Syndrom“. Da sich leider sonst niemand dafür interessierte, musste ich die Präsentation diesmal allein vorbereiten und halten ( Powerpoint und Handout ). Auch diesmal, zumal ich nun alles ganz alleine vorbereiten und anfertigen musste, reichte mir die Zeit nicht, sodass ich nach dem Abendessen weiterarbeitete.

Tag 7 (Mittwoch)

Am Mittwochmorgen begannen wir den Tag mit unseren Präsentationen, wobei jede Gruppe, die bei der ersten Präsentation genannte Kritik, sehr gut umgesetzt hatte. Danach nahmen wir unsere Kristallbildungsversuche unter die Lupe. Bei der Betrachtung unter dem Mikroskop hatten sich bei einer Gruppe sehr viele Kristalle gebildet, die dem gewollten Bild entsprachen. Bei unserer Gruppe hatte sich leider nur ein Kristall gebildet, wobei eine Gruppe überhaupt keinen vorweisen konnte. Nun wurde analysiert, warum sich bei manchen nur ein Kristall, bzw. kein Kristall entstanden ist. Zusätzlich durften wir an unseren Computern mit Hilfe des Programmes „pyMol“ unsere eigenen Prionen erstellen. Man konnte damit bestimmte DNA-Sequenzen farblich hervorheben und kleine Filme drehen, wobei man zoomen konnte, um besondere Stellen hervorzuheben.

In unserer Mittagspause gingen meine Freundinnen und ich ein letztes Mal an den See, nachdem Hanna und ich für das 20 jährige Jubiläum nächsten Jahres interviewt wurden. Das Wetter war sehr schön und sogar warm genug zum Schwimmen.

Nach der Mittagspause machten wir uns auf den Weg zu unserem Kurs, wo unsere Aufgabe nun darin bestand, die Abschlusspräsentation vorzubereiten. Dabei wurden immer drei Schüler in eine Gruppe eingeteilt, die für bestimmte Themen zuständig waren. Meine Gruppe beschäftigte sich mit der Exkursion nach Wien, eine andere stellte das Sezieren vor. Auch die Prionen und die damit verbundenen Krankheiten wurden nicht vergessen. Innerhalb unserer Gruppe war es unsere Aufgabe die gleichen Informationen zu haben, sodass wir alle das Gleiche wiedergeben konnten. Dies war der Fall, damit wir dreimal die gleiche Präsentation über unsere Kurszeit halten können und so jeder die Möglichkeit hat, in die fünf anderen Kurse zu gehen, um sich deren Präsentationen anhören zu können.

Tag 8 (Sonntag)

An unserem letzten Tag mussten wir vor dem Frühstück direkt unsere gepackten Koffer in einen Raum bringen. Daraufhin begaben wir uns in unsere Kurse und studierten die Präsentationen ein. Nach dem Mittagessen ging es dann direkt los und meine Gruppe begann als Erste. Danach machten wir uns auf den Weg die anderen Kurse zu erkunden. Es war wirklich sehr interessant, weil sich die Kurse sehr unterschieden. So befasste sich der Mathe-Chemie-Physik Kurs besonders mit der Raumfahrt, während der Film-und Technik Kurs ein Video kreiert hatte, der ohne ein einziges Wort, nur mit Gesten und Hintergrundmusik eine Geschichte erzählte.  Der Rhetorikkurs klärte uns über die beste Rede auf und erklärte eine „Spontanrede“, indem eine sehr unterhaltsame Rede über die multiplen Anwendungsmöglichkeiten von Fliegenklatschen gehalten wurde. Kurz darauf traf man sich in der Sporthalle (der festliche Saal wurde gerade umgebaut), um  die Urkunden zu überreichen. Nach der Zeremonie wurden noch vereinzelt Fotos geschossen und man begab sich leider schon auf den Heimweg. Auf dem Weg zum Flughafen konnte ich noch weitere deutsche „Austauschschüler“ kennenlernen und der Abschied von den neugewonnen Freundinnen fiel schwer.

Als ich abends um 23:00 Uhr Zuhause ankam war ich sehr müde und erschöpft, aber glücklich so viel Neues gelernt zu haben und selbst erforschen zu dürfen. Ich bin sehr froh diese Möglichkeit gehabt zu haben, da es meinen Berufswunsch zusätzlich gefestigt hat und trotz großer Anstrengung sehr viel Spaß gemacht hat!

Sonja Geef, K1.2