Johanna Geissmar

Seit 1. Februar 2014 trägt unsere Schule den Namen Johanna-Geissmar-Gymnasium Mannheim.

Nach einem aufwändigen Prozess der Namensfindung hat sich die Schulkonferenz für Johanna Geissmar als neue Namensgeberin der Schule entschieden. Doch wer ist diese Frau, die in ihrer Heimatstadt Mannheim fast vergessen war?

Johanna Geissmar wird am 7. Dezember 1877 in Mannheim geboren. Sie wächst in einer großbürgerlichen jüdischen Familie in der Mannheimer Oststadt auf, ihr Vater ist ein angesehener Rechtsanwalt in Mannheim.

Ihre drei älteren Brüder machen Abitur am KFG und studieren in Heidelberg. Da Mädchen zu dieser Zeit weder ein Gymnasium besuchen noch studieren dürfen, besucht Johanna die höhere Mädchenschule in Mannheim. Offenbar befriedigt sie die Aussicht auf ein Leben als höhere Tochter aber nicht. Der Tod des geliebten Vaters im Oktober 1905 wird zum Wendepunkt in ihrem Leben. Mittlerweile sind an der Universität Heidelberg auch Frauen zum Studium zugelassen und Johanna möchte diese neue Bildungschance nutzen. Sie geht mit 27 Jahren noch einmal zur Schule und holt ihr Abitur nach. Zum Wintersemester 1909 erfüllt sich ihr Traum und sie beginnt im Alter von 32 Jahren ein Medizinstudium in Heidelberg.

Nach erfolgreichem Examen und freiwilligem Lazarettdienst im Ersten Weltkrieg eröffnet sie in Heidelberg eine Praxis für Kinderheilkunde. Sie wird zu einer beliebten Kinderärztin und ihre Praxis in Heidelberg-Neuenheim läuft gut.

Als die Nazis 1933 in Deutschland die Macht übernehmen, verändert sich ihr Leben dramatisch.

Dr. Johanna Geissmar verliert im April 1933 wie alle anderen jüdischen Ärzte Badens ihre Kassenzulassung. Im Alter von 55 Jahren muss sie ihre Praxis schließen und ihren geliebten Beruf aufgeben. Sie verlässt Heidelberg und zieht sich in das kleine Dorf Saig im Schwarzwald zurück. Dort wird sie am 22. Oktober 1940 von der Gestapo abgeholt und zusammen mit den anderen 6504 Juden aus Baden und der Pfalz in das südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert.

Die Zustände im Lager sind katastrophal. Die Lagerinsassen müssen auf dem blanken Boden schlafen, es gibt keine sanitären Anlagen und fast nichts zu essen.

Hier wird Johanna Geissmar zu einem der „Engel in der Hölle von Gurs“. Jüdische Ärzte und jüdisches Pflegepersonal haben eine Krankenstation aufgebaut, in der auch die inzwischen 62jährige Johanna Geissmar mitarbeitet. Medikamente und Material sind kaum vorhanden, aber das Engagement und Wissen der Ärzte.

Im August 1942 beginnen die Todestransporte ins Vernichtungslager Auschwitz. Obwohl sie nicht auf der Liste steht, meldet sie sich am 12. August 1942 freiwillig zum Transport, weil sie ihre Patienten begleiten und nach ihrem Bruder Jakob suchen möchte.

Als ältere Frau hat Johanna Geissmar keine Chance in Auschwitz zu überleben. Als Todestag gilt deshalb der 14. August 1942, der Ankunftstag in Auschwitz-Birkenau.

Werner L. Frank, ein heute in den USA lebender Verwandter von Johanna Geissmar, hat sich sehr über den neuen Namen unserer Schule gefreut und uns zur Umbenennung der Schule ein bewegendes Grußwort geschickt:

„Liebe Schulgemeinschaft des Johanna-Geissmar-Gymnasiums Mannheim,
als Überlebender des grauenvollen Nationalsozialismus und als ein Mitglied der Familie Geissmar, sende ich Ihnen aus Kalifornien meine besten Wünsche zu diesem glücklichen Tag der Erinnerung an eine mutige Frau! Die Entscheidung für diesen Namen würdigt den Mut und die Zivilcourage von Johanna Geissmar! Mögen Sie ihren Weg weitergehen und eine tolerantere Welt aufbauen. Möge die Erinnerung an Johanna Geissmar Ihnen allen Segen und Inspiration sein.“