18 Schüler des JGG erleben eine Woche lang den Alltag in ihren französischen Familien und lernen die Provence kennen
Donnerstag, 15. März 2018: 12 Schülerinnen und 6 Schüler aus den achten Klassen des JGG stehen mit ihren Familien und ihren beiden Lehrern, Frau Müller und Herr Ludwig, voller Vorfreude am Mannheimer Hauptbahnhof und warten gespannt auf den TGV, der sie direkt nach Avignon bringen wird.
Der Zug läuft pünktlich ein, kurzer Abschied von den Eltern und Geschwistern, nix wie rein in den Zug, alle Koffer finden ihr Plätzchen, nun geht es 6,5 Stunden über Straßburg, Besançon und Lyon nach Avignon.
Die Hinfahrt verläuft angenehm und problemlos, es wird viel gequatscht, gesungen und Musik gehört, und alle Teilnehmer lernen sich (noch) besser kennen. Der Eindruck der beiden Lehrkräfte ist positiv: Das ist eine sympathische, harmonische Gruppe, die sich auch zu benehmen weiß.
Kurz vor Avignon: Alle halten ihr Gepäck bereit, und als der Zug abbremst, wird es plötzlich ganz ruhig. Die Spannung ist mit Händen zu greifen, „oh Gott, ich bringe kein Wort französisch mehr raus“, „ich hoffe, die erzählen im Auto die ganze Zeit, aber fragen mich nix“, diese und ähnliche Äußerungen sind zu hören.
Am Bahnhof erwarten uns bereits freudig die Austauschpartner und deren Familie, es ist inzwischen kurz nach 21 Uhr, und unsere Schüler fahren mit ihren Familien nach Hause. Die meisten sind in Pernes-les-Fontaines, ungefähr eine halbe Autostunde von Avignon entfernt, untergebracht.
Am Freitag werden wir mit Kakao, Orangensaft und Kuchen zunächst in der Kantine der Schule empfangen; der Schulleiter des Collège Charles Doche schaut kurz vorbei, um uns zu begrüßen. Im Anschluss bekommen wir eine interessante Führung durch die Schule, die die beträchtlichen Unterschiede zu einer deutschen Schule erlebbar macht: so haben wir Zutritt zum „salle de permanance“, in den die Schüler gehen, wenn sie gerade keinen Unterricht haben und dort z.B. am Computer arbeiten können. Überwacht werden sie dort von einem „surveillant“ bzw. einer „surveillante“. Dann gibt es das Centre de Documentation et d’Information (CDI), eine Art Schulbibliothek, wo die Schüler lesen und z.B. Referate vorbereiten können. Auch dort findet man mehrere Computer. Und es gibt auch eine „infirmerie“, eine Art Krankenstation, wo die fest angestellte „infirmière“ sich um die Schüler kümmert, die sich nicht wohl fühlen. Auch für psychologische Betreuung ist an französischen Schulen gesorgt.
Und es gibt weitere Besonderheiten, die das Collège von einer deutschen Schule unterscheiden: Nach dem offiziellen Schulbeginn am Morgen wird das Eingangstor geschlossen und Schüler, die zu spät kommen, müssen klingeln. Sie müssen sich dann an einer bestimmten Stelle melden, es findet ein „kleines Gespräch“ statt, und in der Regel dürfen sie dann erst zur zweiten Stunde in den Unterricht. Es ist auch so, dass das Eingangstor ganztätig überwacht wird und nicht jeder x-beliebige Schüler Zutritt auf das Schulgelände hat.
Besonders beeindruckt sind unsere Schüler auch, als sie hören, dass die Toiletten während der Unterrichtszeit komplett geschlossen sind und nur in der großen Pause die Möglichkeit besteht, vom Schulhof aus die Toiletten aufzusuchen. Da heißt es dann oft Schlange stehen. Und am Ende der großen Pause müssen sich in allen Collèges die Schüler auf markierten Feldern mit Klassennummer versammeln und werden dann zum Unterricht abgeholt.
Nach dieser beeindruckenden Führung durch die Schule dürfen unsere Schüler mit in den Unterricht gehen. Die Meinung unserer Schüler im Anschluss: überwiegend redet dort nur der Lehrer, das Niveau sei insgesamt niedriger und „wir sind doch gar nicht so schlecht“. Dann erkunden wir Pernes-les-Fontaines und erkennen, dass das Örtchen aufgrund seiner zahlreichen Brunnen seinen Namen zurecht trägt. Der Rest des Tages gibt den Schülern Gelegenheit, in den Familien ihre Französischkenntnisse anzuwenden
Das Wochenende verbringen die Schüler in ihren Familien, das ist doch perfekt, um miteinander endgültig warm zu werden! Die meisten machen einen schönen Ausflug, z.B. nach Aix-en-Provence, oder sogar Montpellier und bekommen so einen ersten Eindruck von der Provence.
Montag: Heute ist für die deutschen Schüler der Besuch von Avignon angesagt, während ihre Austauschpartner die Schulbank drücken müssen. Im beeindruckenden Papstpalast können sich die Schüler über ihr Tablet (auf Deutsch) über die Zeit der Päpste in Avignon im 14.Jhd. und über die Räume, in denen sie sich gerade befinden, per Scan informieren.
Anschließend spazieren wir „sur le pont d’Avignon“ und singen und tanzen dem berühmten Liedchen zufolge natürlich auch im Kreis. Es bleibt noch genug Zeit für die Schüler, die Stadt auf eigene Faust zu erkunden. Am Bahnhof auf den Zug wartend, zeigt sich, dass einige talentierte Künstler unter uns sind, die auf dem Klavier (mit dem alle großen französischen Bahnhöfe ausgestattet sind) etwas zum Besten geben und uns die Wartezeit verkürzen. Pünktlich sind wir dann wieder in Pernes.
Am Dienstag geht es zusammen mit den Franzosen zunächst nach Arles, die Stadt, in der die Griechen und vor allem die Römer bis heute überall Spuren hinterlassen haben: Sei es das Amphitheater, das „Théatre Antique“ oder die Kirche St. Trophime mit ihrem einzigartigen Kreuzgang. Nach dieser großen Dosis Kultur war es Zeit für den von den Schülern ersehnten Trip ans Meer: Quer durch das riesige Naturschutzgebiet der Camargue, vorbei an Stieren, weißen Pferden und zahlreichen Flamingos geht es nach Saintes-Marie-de-la-Mer. Leider zeigt sich der Mistral von seiner ungemütlichen Seite: der stürmisch-kalte Wind hindert uns aber nicht, zumindest die Füße ins Meer zu tauchen und am Strand jede Menge Spaß zu haben.
Der Mittwoch verspricht für die deutschen Schüler süß zu werden. Wir besuchen in Carpentras ein Familienunternehmen, das die in Frankreich berühmten „berlingots“ per Handarbeit herstellt. Und wir dürfen dabei zusehen! Die kleinen, dreieckigen, bunten Bonbons werden auf der Basis von Fruchtsirup aus kandierten Früchten der Region hergestellt. Sie haben z.B. die Geschmackrichtung Kirsche, Erdbeere, Melone oder Lavendel. Wir alle sind sehr beeindruckt von der Vorführung der Herstellung und belohnen dies mit dem Kauf zahlreicher Bonbonsäckchen!
Am nächsten Tag geht es, nun wieder gemeinsam mit den Franzosen, nach Marseille. Nach einem Bummel am wunderschönen alten Hafen entlang gehen wir in das MuCem, das erst 2013 eröffnete Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeers. In 4 Kleingruppen, denen je eine Lehrkraft zugeordnet ist, besuchen wir ausgewählte Räume der Dauerausstellung Galerie de la Méditerranée. Wir sind überwältigt von der enormen Vielfalt an Objekten, Kunstwerken und Dokumenten, die die kulturhistorischen Eigenheiten des Mittelmeerraums, von der Landwirtschaft über die Entwicklung der Religionen bis zur Bedeutung des Meers und der Ozeane, zeigen. Ein bisschen wie in einer Wunderkammer sind da Dinge zu sehen wie eine Olivenpresse aus Marokko oder kunstvoll gestaltete italienische Weinkaraffen aus dem 17. Jhd.
Nach einem Picknick auf dem Areal des Mucem mit wunderbarem Blick auf die Kathedrale Marseilles machen wir noch eine kleine Stadtrundfahrt mit unserem Bus, bevor wir müde, aber zufrieden, wieder nach Pernes zurückfahren.
Und dann: der Tag der Rückreise. Frühes Aufstehen ist angesagt, denn schon um 8.15 Uhr ist Treffpunkt am Bahnhof von Avignon. Mit viel Wehmut und vielen Küsschen verabschieden sich unsere Schüler von ihren Austauschpartnern.
Auf der Heimfahrt bleibt genug Zeit, noch einmal diese ereignisreiche Woche an uns vorüberziehen lassen und manche lustige Anekdote zum Besten geben. Es war in der Tat eine wunderbare Woche, und alle Schüler konnten jede Menge Erfahrungen über „Land und Leute“ und auch ein stark erweitertes Französischvokabular mit nach Hause nehmen.
In Karlsruhe verpassen wir dann den Anschlusszug nach Mannheim. Nicht schlimm, ein anderer Zug steht schon bereit und wir treffen mit nur geringer Verspätung am Nachmittag in Mannheim ein. Unsere Gefühle sind gespalten: einerseits traurig, dass wir die Provence und die liebgewonnene französische Familie wieder verlassen mussten; andererseits froh, wieder im vertrauten Umfeld zu sein; und am 11.Mai kommen unsere Franzosen ja schon nach Mannheim.
Abschließend möchten Frau Müller und ich es nicht versäumen, der Gruppe ein Kompliment zu machen: es ist besonders euch zu verdanken, dass alles problemlos verlief, ihr wart echt eine coole Truppe und es hat Spaß gemacht mit euch! Merci beaucoup!
Text: Jörg Ludwig
Bilder: Susanne Müller