Jugend und Parlament 2011

Seit 2004 veranstaltet der Deutsche Bundestag jährlich ein groß angelegtes, viertägiges Planspiel in Berlin. Teilnehmen dürfen hierbei gut 300 Jugendliche im Alter von 16 bis 20 Jahren. „Ziel“ dieses Planspiel ist es, den Jugendlich mehr oder weniger „spielerisch“ die Funktionsweise des parlamentarischen Apparates zu vermitteln.

Da keine politischen Inhalte vermittelt werden sollen, bekommt jeder Teilnehmer für diese vier Tage eine fiktive Rolle zugelost. Diese besteht aus einem persönlichen Profil des Abgeordneten, in dessen Rolle man schlüpft, sowohl mit seiner Vergangenheit, politischer Einstellung, Familie als auch beruflichem und politischem Werdegang. Außerdem wird man somit auch noch einer Partei zugelost. Diese sind an die realen Bedingungen im Bundestag angeglichen, um ein möglichst reales Umfeld für das Planspiel zu kreieren. So wurden alle Teilnehmer in diesem Jahr in fünf Fraktionen entsprechend der Mehrheiten im Bundestag eingeteilt. Die Namen entsprachen dabei nicht genau den realen Vorbildern, jedoch war klar, zu welcher Fraktion man gehörte (CVP- Christliche Volkspartei, APD- Arbeiterpartei Deutschlands, LRP- Liberale Reform Partei, PSG- Partei der Sozialen Gerechtigkeit, ÖSP- Ökologisch Soziale Partei). Entsprechend waren auch die Profile.

Ich selbst durfte mich in die Rolle eines 61-jährigen CVP’lers hineinversetzen. Die Profile waren erstaunlich aufwendig gestaltet, wenn man bedenkt, dass es davon mehr als 300 Stück gab. So erfuhr ich, dass ich eines der dienstältesten Mitglieder des Bundestages, mit insgesamt neun Legislaturperioden, war. Ich war verheiratet, hatte drei Kinder und lebte im thüringischen Suhl. Mehr noch war mein kompletter Einstieg und Aufstieg in der Politik beschrieben. Als letzter und wohl wichtigster Punkt in Bezug auf das Planspiel folgte meine politische Einstellung: konservativ mit christlich geprägten Grundsätzen und resoluter Gegner linker Politik.

Bei den einen waren diese zugelosten Einstellungen erstaunlich nah an den eigenen, andere hatten es schwer, sich in die Rolle zu versetzen.

Während des Planspiels war es unsere Aufgabe, mehrere Gesetzentwürfe und Anträge nach den Interessen der Fraktionen bzw. der Profile durch das Labyrinth der Gesetzgebung zum Erfolg zu bringen. Hierfür waren wir an den verschiedenen Tagen immer wieder in unterschiedlichen Gruppen aufgeteilt: In den Fraktionssitzungen, in den Ausschüssen, in den Arbeitsgruppen, in den Landesgruppensitzungen und nicht zuletzt mit der Gesamtheit aller Teilnehmenden im Plenarsaal. All diese Sitzungen und Arbeitsphasen fanden, und das war das Großartige, in den Sälen und Räumen des Deutschen Bundestages und den Nebengebäuden statt. Im Grunde genommen durften wir uns mit den Ausweisen, die wir anfangs bekommen hatten, komplett frei in den Gebäude bewegen, natürlich mit einigen Ausnahmen. Die Fraktionssitzungen beispielsweise fanden in den realen Fraktionssälen der Parteien statt.

Alles in allem war das Planspiel eine einmalige Erfahrung. So nah Politik zu erfahren, mehr noch, Politik selbst zu „machen“, kann man nur, wenn man eines Tages selbst in die Politik einsteigt. Die vier Tage die ich, dank Herrn Prof. Dr. Egon Jüttner, auf dessen Einladung ich, wie auch alle anderen Teilnehmer aus ganz Deutschland von anderen Mitgliedern des Bundestages erhielten, waren einerseits anstrengend und zeitweise harte Arbeit. Die Tage begannen um 06:45 Uhr mit dem Frühstück in einem Hostel in Berlin, mit anschließender Bahnfahrt ins Regierungsviertel, und endeten circa an allen vier Tagen um 22:00 – 22:30 Uhr wieder im Hostel. Dennoch waren es vier unvergessliche Tage, die trotz der Arbeit in den Fraktionen und Ausschüssen, enormen Spaß bereitet haben. Logischerweise hat man auch viele neue Menschen kennengelernt und teilweise sehr interessante Gespräche führen können.

Begleitet wurden wir während des gesamten Planspiels von einer ebenfalls fiktiven und einer realen Presse. Wir erhielten jeden Morgen eine Tageszeitung, die uns über die Geschehnisse des letzten Tages informierte. Die aktuellsten Infos gab es dann auch immer in den Gebäuden zu finden.

Highlights des Planspiels waren wohl ohne es weiter groß beschreiben zu müssen, der Besuch der einladenden Abgeordneten in ihren Büros, das gemeinsame Abendessen mit Ihnen, der Besuch der Reichstagskuppel, wie schon mehrfach erwähnt, die Lesungen im Plenarsaal, die Podiumsdiskussion mit den Vorsitzenden der fünf vertretenen Fraktionen bzw. deren Vertreter und nicht zu guter Letzt das Schlusswort durch den Bundestagspräsidenten Prof. Dr. Norbert Lammert.

Die anschließende Rückreise im ICE war eine wohltuende Erholung nach diesen vier arbeitsreichen Tagen. Hierbei teilte ich meine Vierersitzgruppe mit zwei Pfarrern, die die Heimreise zu einem witzigen und interessanten Erlebnis gestalteten.

Das Schöne daran war auch, dass der Deutsche Bundestag sämtliche Kosten (Anreise, Unterkunft, Verpflegung, Abreise) übernahm.

Ich hoffe, ich konnte hiermit einen Einblick in das Planspiel geben und sollten noch weitere Fragen offen sein, so kann ich diese gerne beantworten.