Zweites Zuhause – ein Jahr in den USA

Jeder hat einen Ort den er „Zuhause“ nennen kann, einen Ort, an dem die Familie ist und wo man Freunde hat. Nur einen? – Mein Name ist Savita Helfferich und ich habe dieses Jahr gelernt, dass man zwei dieser Orte haben kann. Letztes Frühjahr habe ich entschieden, ein Austauschjahr in Amerika zu machen und nun, nach 5 Monaten in der neuen Umgebung, habe ich hier in den USA ein zweites Zuhause gefunden.
Ich wohne in Ogden, Utah, bei einer Mormonen Familie mit fünf Kindern und einem Hund. Zusammen mit meiner gleichaltrigen Gastschwester bin ich ein „Sophomore“ (10.Klasse) an der Ogden High School. Das Schulsystem hier unterscheidet sich sehr von dem unsrigen. Nach der „Elementary School“ (Grundschule), die sechs Jahre lang dauert, geht man auf die „Junior High School“ für weitere der oder vier Jahre je nachdem in welchem Schulbezirk man ist.
Darauf folgt, wie wir fast alle wissen, die „High School“, auf der man nach dem 12.Schuljahr seinen Abschluss macht. Ein weiterer großer Unterschied ist, dass man sich viele Fächer selbst aussuchen darf. Vorgeschriebene Fächer sind mur Mathe, Englisch, Geschichte und eine Naturwissenschaft. Für die übrigen vier Stunden der acht Stunden, die man hat, kann man interessante Fächer wie zum Beispiel Kochen, Design, Chor, Computer Technik oder Fotografie wählen. Nach dem Halbjahr kann man wieder neu wählen, was einem die Möglichkeit gibt einen kleinen Einblick in viele verschiedene Bereiche zu bekommen. Dieses Schulsystem erlaubt außerdem jedem, der einen High School Abschluss hat aufs College zu gehen. Deshalb sind Stipendien hier sehr begehrt.
Man kann für fast alles ein Stipendium kriegen. Für Fotografie, Naturwissenschaften und Musik genauso wie für hervorragende Leistungen in Sport.
Was mich am meisten begeistert hat als ich ankam, war der „School Spirit“ den hier jede Schule hat. Jede „High School“ hat ihre eigenen Farben und ein Maskottchen, welches die Schulfarben hat und auf T-Shirts, Pullover und Sporthosen gedruckt wird, die man dann kaufen kann. Das sorgt gleich dafür, dass die Schule mehr Geld hat und eine stärkere Verbundenheit unter den Schülern selbst herrscht. Diese kommt vor allem bei den Wettkämpfen in den verschiedenen Sportarten zwischen den Schulen zum Ausdruck, wenn alle die Schulfarben tragen, gemeinsam ihr Team anfeuern und die Fanrufe der Cheerleader erwidern. Ich wünsche mir für unsere Schule, dass wir den selben „ School Spirit“ haben und uns mehr um eine gute Gemeinschaft bemühen.

Im Allgemeinen habe ich mich hier sehr schnell und gut eingelebt. Dabei waren natürlich meine Gastfamilie und alle, die jetzt meine Freunde sind eine große Hilfe. Ich habe viel Spaß zum Beispiel beim Snowboarden, da die Berge gleich hinterm Haus sind, bei den Football- und Basketballspielen und bei den Schulbällen, die hier alle ein bis zwei Monate stattfinden. Diese Tanzpartys sind entweder formell oder nicht formell und entweder „Girls- or Boys-Choice“, was bedeutet das entweder die Mädchen die Jungen fragen müssen oder umgekehrt. Es ist aber eine ungeschriebene Regel, dass man nicht einfach nur so fragen kann sondern sich eine kreative und lustige Idee einfallen lassen sollte. Sehr beliebt am „Valentine’s Dance“ ist die sogenannte „Heartattack“. Mann schneidet dafür ganz viele Papierherzen aus und schreibt auf ein paar Herzen die Buchstaben seines Namens. Dann klebt man die ganzen Herzen zum Beispiel an die Garagentür und schreibt auf ein Plakat : „Gehst du mit mir zum Valentinsball? Ich hoffe du bekommst keine Herzattacke wenn du herausgefunden hast wer dich fragt!“

Je nachdem ob der Junge oder das Mädchen gefragt hat muss der Junge beziehungsweise das Mädchen für den ganzen Abend, das bedeutet Essen und die Eintrittskarten, und für eine lustige Aktivität zusammen mit einer Gruppe von Leuten, die auch zum Ball gehen bezahlen. Auf diesen Veranstaltungen gibt es außerdem immer einen Fotografen für dessen Bilder man auch bezahlen muss. Da es aber schon immer so war macht das auch wirklich jeder und umso mehr Leute kommen, desto lustiger ist es.

Ein wenig zu schaffen macht mir die Religion meiner Familie, denn die beinhaltet einige Regeln, die ich so nicht kannte. Meine Mutter hat mir schon immer erlaubt bei Freunden zu übernachten und Freunde nach der Schule einfach mit nach Hause zu bringen. Das ist nun nicht mehr der Fall. Meine Gasteltern erlauben keine Übernachtungen und keine Verabredungen mit Freunden außer Freitags und Samstags. An Sonntagen ist drei Stunden lang Kirche, zu der ich aber nicht mitmuss. Doch immer wenn ich nicht gehe habe ich das Gefühl, dass sie das gar nicht gut finden. Nach der Zeit gewöhnt man sich an die kleineren Regeln, weswegen ich diese nun nicht auflisten werde, die genannten allerdings sind manchmal schwer zu verstehen für mich. Warum sollte man keine Übernachtungen haben?

Im Großen und Ganzen geht es mir trotz der anderen Kultur jedoch super gut hier und ich genieße meinen Aufenthalt sehr. Ich hoffe, dass ich noch einmal zu meinem zweiten Zuhause zurückkehren kann irgendwann und, dass ich den Kontakt zu meiner Familie und meinen Freunden hier aufrecht erhalten kann. Letztere sagen ich hätte meinen deutschen Akzent schon ein wenig abgelegt und auch ich fühle mich in der Sprache jetzt sicherer als zuvor. Oft kommt es vor, dass mir ein Wort nun zuerst auf Englisch anstatt Deutsch einfällt. Am meisten vermisse ich nach meinen Freunden und meiner Familie das deutsche Essen. Deutschland kocht einfach besser und gesünder. Hoch lebe deutsches Brot!

Savita Helfferich